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Dokumentation der Arbeit

Einleitung
Arbeitsbereiche und Anregungen durch Lehrerpersönlichkeiten und Impulse anderer im Überblick
Kompositionen (s. Werkverzeichnis)
Improvisation, Kultur-Epochen-Skalen und Neue Instrumente
Sozialhygiene, Pädagogik und Therapie, Kurse, Tagungen und Konzerte, Festgestaltungen, Musik zum Kultus und Arbeit an der Beziehung von Musik zu anderen Künsten
Ensemble und „Resonanz“

Die Instrumente
1. Vorbemerkung
2. Der Kreis der Ur-Instrumente
3. Chorischer Instrumentenkreis
4. Solistischer Instrumentenkreis
5. Instrumente für die Stimmungen der Kultur-Epochen
6. Rock-Instrumente und Elektronik

Darstellung der Arbeit von 1998 (leicht überarbeitet)

  
hoch   Einleitung

Diese Darstellung ist vielleicht keine Dokumentation im üblichen Sinne, und vor allem ist sie auch in keiner Hinsicht umfassend. Es soll versucht werden, wesentliche Aspekte so anzureißen, daß ein anfängliches Bild der Intentionen, der Arbeitsweise und des bisher Erreichten entstehen kann. Erschwert wird dieses Bemühen durch den primär künstlerischen Ansatz, der die Arbeit überhaupt erst in Gang brachte und weiterhin trägt. Künstlerisches Empfinden und Suchen, hauptsächlich sogar das schmerzhafte Erleben eines Mangels an Wahrheit, Echtheit, Kraft und Wirksamkeit in der heutigen Kultur ist es, was den Antrieb zum Forschen erzeugt. Diese Empfindungen und die daraus entstehenden Fragen soweit zu formulieren, daß sie zum Ausgangspunkt der Arbeit werden können, daß künstlerische „Griffe“ und Gestaltungen und schließlich ganz konkrete Instrumente daraus entstehen können, ist schon schwer genug.
     Den Weg von der Empfindung bis zur konkreten, sinnlichen Erscheinung und schließlich bis zum Verständnis von deren sinnlich-sittlicher Wirkung gedanklich klar zu verfolgen und darzustellen, ist schier unmöglich, jedenfalls in dem beschränkten Rahmen dieser Darstellung. Denn es müßte vieles im Vorfeld erst untersucht werden, wie z.B. der Wahrnehmungsprozeß und insbesondere der Hörprozeß, aber auch der künstlerische Prozeß mit den Umschmelzungen, die von dem ersten, dumpfen Aufscheinen einer Idee bis zur fertigen künstlerischen Gestaltung bzw. bis zum fertigen Instrument geschehen, u.v.a. beschaffen sind. Besonders wäre dabei zu beobachten, wie verschiedenartigste Einflüsse, besonders auch der Widersachermächte, in diese Prozesse hinein wirken und wie diese Einflüsse zu steuern sind. Dies aber wäre schon eine eigene umfassende Arbeit, die den Rahmen dieser Dokumentation sprengen würde.
     Weil die notwendigen Grundlagen hier aber nicht zu betrachten sind, kann eigentlich auch nicht auf die grundlegenden Gesichtspunkte in allen Einzelheiten eingegangen werden. Vielmehr ist eine Übersicht zu geben, die an einzelnen Punkten Einblicke in Details und Zusammenhänge ermöglicht. So wird auch die eigentliche Bedeutung der Arbeit, soweit sie sich zumindest in den zu Grunde liegenden Ideen und Idealen andeutet, nur angerissen werden können, denn auch die Betrachtung der weltgeschichtlichen Zusammenhänge, in denen die Arbeit ihrem Anliegen nach zu sehen ist, bräuchte einen größeren Rahmen. Doch kann vielleicht, trotz der gerafften Form, deutlich werden, daß Dinge angegangen werden, die möglicherweise eine Bedeutung für Pädagogik, Therapie und Kultus bekommen können. Womit gar nicht behauptet werden soll, daß der Ansatz ein vollkommen neuer und einzigartiger wäre. Vielmehr ist es so, daß die eigenen, bescheidenen Ergebnisse nur durch die Arbeit vieler anderer erst möglich wurden und auch nur im Zusammenhang mit den vielen neuen Impulsen im Bereich des Musikalischen zu sehen sind, die sich aus der anthroposophischen Arbeit heraus entwickelt haben.
     Von vielen Menschen und an vielen Orten wird intensiv an solchen Impulsen gearbeitet, doch ohne daß diese Arbeit die Beachtung bekommt, die sie m.E. verdient. Leider muß man oft den Eindruck haben, daß gerade die anthroposophische Bewegung immun gegen neue Ansätze im Musikalischen zu sein scheint und sich vielfach mit Musik begnügt, die an klassisch-romantische Traditionen anknüpft. Eine wirkliche Neubegründung des Musikalischen aus der Anthroposophie heraus ist aber notwendiger denn je, denn wo, wenn nicht in der Anthroposophie, sollte eigentlich ein Verständnis für die Bedürfnisse der Jugend, durch die sie sich der Rock-Musik, den Drogen usw. zuwenden, entwickelt werden können. Aus einem solchen Verständnis kann dann auch vielleicht die Fähigkeit erwachsen, die Erscheinungen nicht zu verdammen, sondern als einen Ersatz für etwas zu sehen, was erst noch gefunden und entwickelt werden muß. In dieser Richtung ein paar kleine Schritte zu tun, das ist es, worum es mir in meiner Arbeit geht. Und die Hoffnung für die nächsten Jahre ist, vielleicht etwas mehr Muße zu haben, um diese Schritte sorgfältiger und gründlicher durchzuführen und nachvollziehbar zu machen.
     An den bisher erworbenen Fähigkeiten und erreichten Ergebnissen und den sich zeigenden Möglichkeiten wird jetzt schon deutlich, daß diese ersten Schritte schon fruchtbar für die Pädagogik, Musik-Therapie, Sozialhygiene und für die musikalische Gestaltung von Festen und Feiern in der Anthroposophischen Gesellschaft und im Kultus der Christengemeinschaft werden können. Umgekehrt sind es diese genannten Bereiche, die die wesentlichen Impulse für die Arbeit gegeben haben. Ich möchte hier aber noch einmal betonen, daß ich nicht der einzige bin, der an diesen Fragen arbeitet, und daß meine Arbeit mit der Arbeit vieler anderer zusammenhängt, ja ohne sie nicht möglich wäre.
     Worum geht es eigentlich bei der musikalischen Gestaltung eines Festes, des Kultus, in Unterricht und Therapie? Rudolf Steiner sagt dazu einmal, daß das Musikalische gerade das Christus-Ereignis in einer so realen Weise darstellen könne, wie es dem unmittelbaren Erleben der Menschen erst in Zukunft zugänglich werde. Diese Aussage ist m.E. in Zusammenhang mit seinen Äußerungen über die Melodie im einzelnen Ton, über die Ur-Musik, die in den Schlesinger-Skalen zu ahnen sei, und über die zwölf Ur-Instrumente zu sehen. Doch legt einem die Art, wie Steiner über diese Fragen spricht, den Eindruck nahe, daß er sich von seinen Zeitgenossen nicht verstanden fühlte. Andererseits muß man das Gefühl haben, daß gerade diese Äußerungen, auch wenn ihre Bedeutung heute noch nur zu erahnen ist, eine zentrale Bedeutung für die zeitgemäße Neubegründung des Musikalischen haben und den eigentlichen Ansatz für ein Musizieren bietet, welches nicht auf den musikalischen Genuß, sondern auf den musikalischen Dienst für den Menschen, für die Erde und für die geistige Welt gerichtet ist. Nimmt man diese Äußerungen ernst, auch wenn man sie noch nicht wirklich versteht, stellt sich die Frage nach der musikalischen Feiergestaltung vollkommen neu. Sie könnte für eine konkrete Gelegenheit vielleicht so lauten: Welche Musik, auf welchen Instrumenten, mit welchen Spielern, mit welcher Vorbereitung und mit welchen anderen Beiträgen braucht es wirklich für diese Menschen, an diesem Ort, zu dieser Tages-, Jahres- und Welten-Zeit, in diesem Raum , bei diesem speziellen Vorhaben?
     Solche Fragen sind nicht ohne weiteres so zu verdichten, daß aus ihnen konkrete musikalische Gestaltungen entstehen können. Das setzt die Schulung neuer Fähigkeiten voraus, auch bei den Hörern, denn ein Herangehen an diese Fragen, d.h. aber die eigentliche Vorbereitung, ist ja nur im gemeinsamen Gespräch mit ihnen möglich. Dieser Schulung, die auch für sogenannte Laien möglich ist, dienen u.a. die im weiteren beschriebenen Arbeitsbereiche. Daß das Konzertieren im üblichen Sinne hier nicht gesondert erwähnt wird, hängt damit zusammen, daß ein künstlerischer Ansatz, der solchen Fragen gerecht zu werden sucht, nicht mehr zwischen künstlerischer, pädagogisch-therapeutischer und dienender Tätigkeit zu unterscheiden vermag, diese können nur als Einheit erlebt werden. Es geht also darum, die so erlebte Einheit des Musikalischen in den verschiedenen Bereichen des menschlichen Lebens fruchtbar und so wirksam zu machen, daß der einzelne Mensch sich und die Gemeinschaft mit anderen Menschen als etwas sich entwickelndes erleben kann.
     Zu einer solchen Arbeit bedarf es aber der Instrumente, denn wir sind heute noch kaum in der Lage, Musik rein im Unhörbaren zu erleben. Doch braucht es Instrumente, die nicht nur auf das Hörbare gerichtet sind, sondern solche, die im Hörbaren ein Erlebnis des Unhörbaren, d.h. aber des Geistig-Musikalischen anregen. Der Frage nach solchen Instrumenten und dazugehörigen Musizier-Formen, gerade auch unter Berücksichtigung der existentiellen Bedürfnisse, aus denen die Rock-Musik entspringt, soll meine Arbeit auch in Zukunft gewidmet sein. Denn das Phänomen der Rock-Musik ist m.E. nur verständlich, wenn man es als einen Schrei nach der konkreten Bestätigung des geistigen Ursprungs des Menschen und des Entwicklungsgesichtspunktes, der zum Wesen von Mensch und Erde gehört, auffaßt. Auch die Pflege des Erd-Organismus durch den Klang fordert neue Entwicklungen im Instrumentenbau.
     Sicher können in der zur Verfügung stehenden Zeit nur kleine Schritte vollzogen werden, doch können diese Schritte vielleicht doch bedeutsam werden, wenn man bedenkt, daß ein konkretes, goetheanistisches Umschmelzen der Ideale der Rock-Musik gerade auch für die Pädagogik und die Lehrerbildung wesentlich werden könnte. Die Ergebnisse dieser Arbeit will ich auch nicht für mich behalten, sie sollen konkret in den Unterricht, in musikalische Gestaltungen, Vorträge und Kurse einfließen und, im besten Falle, anderen als Anregung dienen. Inwieweit es möglich sein wird, auch Instrumente abzugeben, muß noch offen bleiben, denn die Produktion unterliegt speziellen Bedingungen, die sich nicht ohne weiteres mit der Tätigkeit als Lehrer usw. vereinbaren lassen. Doch können in jedem Fall Instrumenten-Bau-Kurse stattfinden, die es auch anderen ermöglichen, ein entsprechendes Instrumentarium zu erstellen, zumal ein Teil der genutzten Instrumente ja auch von anderen Instrumentenbauern gebaut wird. Es ist auch geplant, Teile dieser Dokumentation weiter auszuarbeiten und ggf. zu veröffentlichen, doch wird dies in den nächsten Jahren sicher nur beschränkt möglich sein, denn der Schwerpunkt soll weiterhin auf der Entwickelung und dem Bau weiterer Instrumente liegen.
     Die Darstellung umfaßt einige ausführlichere Kapitel zu den verschiedenen Arbeitsbereichen und zur Arbeit an und mit den Instrumenten, ohne allerdings gründlich in die Details zu gehen. Hinzu kommen Aufstellungen der Instrumente und solche mehr biographischen Charakters (auf anderen Seiten zu finden). Es fehlt noch, neben vielem anderen, eine gründliche Darstellung der Instrumente unter baulichen Gesichtspunkten, die allerdings im kommenden Jahr entstehen soll, eine genauere Untersuchung der Rock-Musik sowie detaillierte Überlegungen zur Pädagogik, zum Lehrplan und zu Gestaltungsfragen, die nach und nach folgen sollen.
     Danken möchte ich meiner Frau Kirsten Rennert, die vieles zum Entstehen dieser Dokumentation beigetragen hat, und meinen Kollegen von der Freien Waldorfschule Gladbeck, die meine Bemühungen in den letzten Jahren ertragen und mit getragen haben.



 
hoch Arbeitsbereiche und Anregungen durch Lehrerpersönlichkeiten und Impulse anderer im Überblick

Der eigene Impuls, soweit er sich überhaupt von anderen abgrenzen läßt, setzt sich aus vielen Arbeitsbereichen zusammen, die sich gegenseitig bedingen und überschneiden. Jeder dieser Bereiche ist in vielfältiger Weise durch Erlebnisse und die Wahrnehmung der Arbeit anderer angeregt.

Grundlage für die selbständige Arbeit im Musikalischen waren Jugend-Ideale sozialer und künstlerischer Prägung:

    Wie kann sich das menschliche Miteinander, auch in Bezug auf die geistige und natürliche Umwelt, gesünder gestalten?

    Kann die Musik, ähnlich wie die Eurythmie, die mich als Schüler schon interessierte, dabei ein Helfer und Lehrmeister sein?

    Hat nicht gerade auch die Rock-Musik, weil sie so viele Menschen ergreift und interessiert, aber auch, weil sie soviel Kraft entfaltet, eine Zukunftsperspektive? Was ist ihr Wesen, wodurch bekommt sie diese Kraft, welche berechtigten Bedürfnisse sprechen sich in ihr aus, wie könnte bzw. müßte sie sich eigentlich entwickeln?

Gespräche im Elternhaus, Orchesterspiel, Eurythmieunterricht, die eigene Rock-Band und die Beschäftigung mit der Dreigliederung Rudolf Steiners und mit pädagogischen Fragen regten ab dem 17. Lebensjahr die Arbeit an diesen Idealen an und hielten sie in Gang. Doch wurde schon am Ende der Schulzeit deutlich, daß die herkömmliche Rock-Musik keinen unmittelbaren Ansatz bietet, so daß die Bandarbeit eingestellt wurde.
     Das Erleben Seelenpflege-bedürftiger Kinder während meines Zivildienstes beförderte diese Ideale noch und bestärkte den Entschluß, Lehrer zu werden. Zuerst wurde jedoch keineswegs die Musik-Pädagogik ins Auge gefaßt, sondern Mathematik und Chemie, aber auch die Tätigkeit als Klassenlehrer. Erst durch viele Gespräche mit Freunden und Bekannten trat das Musikstudium in die engere Wahl. Doch wurde eine echte musikalische Zielsetzung erst während des Musikstudiums durch das Erleben der Musik Anton Weberns und durch mein Verzweifeln an den Vorstellungen anthroposophischer Musiker auf den Musikertagungen in Dornach, die meine Frage nach der Berechtigung von Jazz und Rock-Musik nicht verstanden, deutlich. Der Mangel an Hilfe konnte nur durch eigene Tätigkeit ausgeglichen werden. Eigene Arbeit mußte den Ansatz bilden, und mit dem Beginn der Arbeit stellten sich vielfältige Begegnungen und Anregungen ein.
     Ausgangspunkt bildeten Kompositionsversuche, die sich an Weberns Musik anlehnten, aber bald selbständig wurden, besonders auch durch die Anregungen und Korrekturen des Komponisten Hans Ullrich Engelmann, der mich, obwohl im Studienplan nicht vorgesehen, am Unterricht seiner Kompositions-Klasse teilnehmen ließ. Ihm verdanke ich viel, denn durch sein reges Interesse unterstützte er auch meine Beschäftigung mit anthroposophischen Musikimpulsen. Schließlich regte er die Auseinandersetzung mit der Elektronischen Musik an, indem er mich bat, mich im Rahmen meiner Diplomarbeit mit dieser aus anthroposophischer Sicht zu beschäftigen.
     Ausgehend von Fragen der Komposition wurde bald deutlich, daß eine den Zeitnotwendigkeiten entsprechende Arbeit im Musikalischen nicht eingleisig sein kann, sondern viele Bereiche umfassen sollte. So ergab sich eine Art Freies Studium, welches parallel zum Hochschulstudium geführt wurde, durch Besuch von Vorträgen, Tagungen, Kursen, aber auch durch Erfahrungsaustausch mit anderen, die versuchten, frei zu studieren und zu arbeiten.

Hervorheben möchte ich folgende Persönlichkeiten, deren Arbeit und Forschungen für meinen Weg wesentlich wurden:

    Andreas Delor war über lange Jahre Gesprächspartner, Anreger und Freund, durch den ich erst einen Überblick über die anthroposophischen Musik-Impulse bekam und viele davon auch kennenlernte: Phänomen-Studien, Einzelton-Studien, Kultur-Epochen-Skalen, Improvisation, Neue Instrumente usw. Auch für die Komposition erhielt ich von ihm manche Anregung. Es ergab sich eine rege Zusammenarbeit in Konzerten, in den Tagungen für Neue Musik und Neue Instrumente, im daraus entstandenen Ensemble, in Kursen und in der Zeitschrift „Resonanz“.

    Heiner Rulands Forschungen zur Musikgeschichte und zur Skalen-Entwickelung, aber auch zur Musik-Therapie. Das Erlebnis seiner rein intonierten Skalen-Kompositionen war sehr anregend.

    Christoph Peter wies auch auf die Phänomen-Studien hin, gab wesentliche Anregungen zur Musik-Pädagogik und zum Verständnis der Klassischen Musik und ermutigte zur Beschäftigung mit der Elektronik und mit der Tonbildung. Seine Aufforderung, der Musiklehrer solle Künstler sein, war wegweisend.

    Pär Ahlbom und einige seine Schüler regten die improvisatorische Arbeit, den Bau von neuen Instrumenten und den Umgang mit ihnen wesentlich an. Er war ein wesentlicher Kritiker meiner Kompositionen.

    Jürgen Schriefer forderte die eigenständige Beschäftigung mit der Musikgeschichte und die Frage nach der Bedeutung der Musik für das menschliche Leben und die Menschheitsentwickelung heraus. Er ermutigte wiederholt bei geplanten Initiativen. Die Begegnung mit der Schule der Stimmenthüllung war wegweisend für die Arbeit an der Tonbildung.

    Manfred Bleffert setzte durch seine Arbeit Maßstäbe im Instrumenten-Bau und gab viele Anregungen, besonders im Bereich der Tonlehre.

    Norbert Visser regte mich vor allem durch seine gründliche Phänomenologie, aber auch durch die von ihm entwickelten Choroi-Instrumente an und bestätigte die Ansätze und Überlegungen zur Organ-Bildung im Instrumenten-Bau.

    Nicht zuletzt ist jedoch Rudolf Steiner zu nennen, dessen Anthroposophie und Goetheanismus eine sichere Grundlage der Arbeit bilden.

Es wären noch viele andere zu nennen, hier sei nur auf die wesentlichsten verwiesen.

Den Ausgangspunkt der Arbeit bildete, wie beschrieben, die Komposition, die zunehmend zu Aufträgen für Feiern, Festgestaltungen, den Kultus der Christengemeinschaft und für andere Musiker und auch Orchester führte. Doch stellte sich bald die Frage nach der heutigen Bedeutung komponierter Musik und ihrer Wirkung auf das Publikum. Daraus ergab sich als weitere Frage: Wie kann die Musik gefunden werden, die für einen bestimmten Menschenkreis, einen bestimmten Anlaß, einen bestimmten Zeitpunkt, einen bestimmten Ort usw. die treffende ist? Es zeigte sich im Verfolgen dieser Frage, daß es kaum möglich ist, Gespräche mit den betreffenden Menschen so zu führen, daß ein für die kompositorische Arbeit ausreichendes Bild entsteht. Vielmehr erwies sich hier der improvisatorische Ansatz, im Idealfall durch einen Improvisations-Kurs vorbereitet, als günstiger. Zudem zeigte sich auch, daß für viele musikalische Ideen und Notwendigkeiten die Instrumente erst entwickelt werden mußten bzw. müssen. Wobei die entstandenen Instrumente oft selbst wie Kompositionen wirken, d.h. ihre Musik enthalten, die am besten improvisatorisch entfaltet werden kann. So trat das Komponieren nach und nach zurück und wurde durch Instrumenten-Bau und Improvisation weitergeführt.
     Doch schon vorher änderte sich die kompositorische Arbeit durch die Einzelton-Studien und die Kultur-Epochen-Skalen (H. Ruland), die einen bewußteren Umgang mit Tönen, Intervallen und Tonleitern, aber schließlich auch neue Instrumente für die Rein-Intonation erforderten, und durch die Idee des Kreises der 12 Ur-Instrumente (R. Steiner), die das Bild eines neuen, umfassenderen Orchesters entstehen läßt.
     Ein weiterer grundlegender Ansatz für den Instrumenten-Bau war die stimmliche und instrumentale Arbeit an der Tonbildung. So führte die Unzufriedenheit mit dem Klang der klassischen Gitarre zuerst zu intensiver Tonbildungs-Arbeit und schließlich zur Entwickelung der ersten Instrumente.

Es ergaben sich für Improvisation und Instrumenten-Bau drei grundlegende Gesichtspunkte, die die Bauprinzipien der Instrumente und ihre musikalische Handhabung bestimmen:

    Elementare Tonbildung

    Kultur-Epochen-Skalen, Rock-Musik und andere musikalische Phänomene des 20. Jahrhunderts

    Instrumentenkreis, solistische und chorische Musizier-Formen

Diese Gesichtspunkte durchdringen sich durchaus, doch zeigen sich auch deutliche Tendenzen:

    Die elementare Tonbildung führt zu eher schlichten Instrumenten mit deutlicher Eigenart. Dazu gehören ebenso elementare Musizier-Formen mit sozialem Charakter.

    Die Stimmungen der Kultur-Epochen erfordern je nach Charakter und Skala ganz spezielle Instrumente und Musizier-Formen, die sich auch nach Gesichtspunkten der Rock-Musik ausgestalten können.

    Instrumente für Lärm und Elektronik.

    Der Instrumentenkreis erfordert, wenn er solistisch gegriffen wird, ausgereifte und variable, wenn er chorisch gegriffen wird, eher elementare Instrumente. In beiden Fällen sind aber Typus und Eigenart der Instrumente entscheidend, die durch entsprechende Musizier-Formen zur Geltung kommen können.

Alle Instrumente, die nach diesen Gesichtspunkten entstanden, haben jedoch eines gemeinsam: Sie sind nicht, wie die klassischen Instrumente, Spezialisten-Instrumente, sondern Instrumente, die von jedem in jedem Lebensalter elementar zu erlernen sind. Sie setzen keine besondere musikalische Begabung voraus, sondern ermöglichen, besonders im Gruppenspiel, eine "Enthüllung der Musikalität", analog der Schule der Stimmenthüllung. Natürlich bedürfen auch diese Instrumente der Übung und ermöglichen die Entwickelung von Spieltechnik und besonderen Fähigkeiten, doch kann hier jeder aus der Gesamtheit der Instrumente seinen Einstieg finden. Die Meisterschaft kann hier im Erarbeiten der Gesamtheit erlangt werden.
     Dadurch bieten sich reiche Möglichkeiten für sozialhygienische, pädagogische und therapeutische Arbeit. Elementar beginnend, können soziale Fähigkeiten entwickelt, kann an persönlichen Schwierigkeiten und bei Kindern und Jugendlichen an der Persönlichkeitsentwickelung gearbeitet und mit weiterem Fortschreiten ein tiefer Einblick in die Entwickelung und das Wesen des Musikalischen gewonnen werden. Zudem bieten die einzelnen Skalen und Instrumente durch ihre Eigenart die Möglichkeit, in Zusammenarbeit mit einem Arzt direkt auf verschiedene seelische und leibliche Krankheitsbilder einzugehen.
     Doch auch die künstlerischen Möglichkeiten sind unbeschränkt und ermöglichen eine Fülle von Stimmungen, Charakteren und Farben. Auch hier können Laien bei entsprechender innerer Bereitschaft tätig werden und musikalische Ausdrucksmöglichkeiten entdecken. Dadurch wird es z.B. möglich, in einer Klasse jeden Schüler am gemeinsamen Musizieren zu beteiligen oder musikalische Festgestaltungen gemeinsam mit interessierten Laien durchzuführen.
     Durch die klangliche und stimmungsmäßige Vielfalt, die große Beweglichkeit im Gestalten und die bis ins Ätherische gehenden Wirkungen der Instrumente, Musizier-Formen und Skalen kann auch ein dichter Bezug zu anderen Künsten hergestellt werden. So können Sprache, Eurythmie und Musik ineinandergreifende Gestaltungen bilden. Doch liegen in diesem Bereich nur anfängliche Erfahrungen vor, die aber die vielfältigen Möglichkeiten deutlich machen. Entsprechend deutlich und anfänglich sind auch die Erfahrungen mit dem Einsatz der Instrumente und Skalen in der biologisch-dynamischen Landwirtschaft und im Arbeitsleben.
     In den letzten Jahren trat, als Konsequenz der bisherigen Arbeit, erneut die Frage nach Rock-Musik und Elektronik auf. Doch ergab sich aus der phänomenologischen Arbeit daran die Notwendigkeit, praktische musikalische Konsequenzen zu ziehen. So entstanden erste Beispiele für eine neue Gruppe von Instrumenten, die sehr kompliziert gebaut sind, eine große dynamische Bandbreite und die Möglichkeit zu "dreckigem", geräuschhaftem Spiel bieten.
     Die Grundlage dieser Arbeitsbereiche bildet die Phänomenologie, ein gründliches Hineinlauschen und Betrachten, d.h. die Frage nach dem Wesen des jeweiligen Gegenstandes, sei es nun ein Ton, eine Skala, ein Instrument, ein Material, ein Bauprinzip, eine Musizier-Form usw. Nur durch die Phänomenologie und das innere Hören können wirkliche Ideen bzw. Neu-Griffe gefunden werden. Aber auch die gedankliche Arbeit, zum einen an den Anregungen R. Steiners und anderer, am Verständnis der Musikentwickelung und an der Gewinnung eines Überblickes über die musikalischen Erscheinungen, zum anderen aber in dem Versuch, zu dem Erlebten und Erhörten die entsprechenden Begriffe zu bilden, ist notwendiger Bestandteil. Sie ermöglicht das Entwerfen und das Entfachen der notwendigen Begeisterung, die Phänomenologie dagegen die Erfahrung und wirkliche Wesensbegegnung.
     Die geschilderten Arbeitsbereiche und die jeweiligen Ansätze sind so verwoben, daß sie nur schwer in eine Übersicht gebracht werden können. Doch möchte ich dies anfänglich versuchen, bevor ich auf die einzelnen Bereiche etwas genauer eingehe und die konkreten Forschungsfragen herausarbeite.
     Für jede der folgenden Gegenüberstellungen und Mitte-Bildungen könnten auch andere Gesichtspunkte gefunden werden, sie gelten nur beschränkt und sind nicht absolut zu sehen!

Phänomenologie
Improvisation
Bilden


Material

Lauschen
Tonbildung
Klänge

Instrumenten-Kreis
elementar
gemeinsam (chorisch)
Schulung






Stille
Ton
Melodie
Atonalität



Töne
Skalen
Klänge – Instrumente









Ausbildung
Pädagogik
Sozial-Hygiene
Therapie
Festgestaltung

Gesang
Klang
Harmonie
Tonalität (erweiterter Begriff)
gedankliche Arbeit
Komposition
Gestalten


Form/Gestalt

Entwerfen
Ausdrucksfindung
Skalen-Stimmungen

Kultur-Epochen
kompliziert
einzeln (solistisch)
Konzert






Lärm u. Schrei
Geräusch
Rhytmus
Rock-Musik

Wenn nun die einzelnen Bereiche betrachtet werden, so ist deutlich, daß die folgende Gliederung eine willkürliche und vereinfachende ist. Sie müssen letztendlich zusammen gesehen werden.


 
hoch   Kompositionen

Ausgangspunkt des Komponierens war, wie bereits erwähnt, die Musik Anton Weberns. Die Knappheit und Dichte seiner Werke wurde mir für lange Zeit zum Ideal. Weniger allerdings seine differenzierte Zwölf-Ton-Technik. Ich bildete nur gelegentlich Reihen für bestimmte Abschnitte einer Komposition, im übrigen arbeitete ich freier und achtete nur auf das Entstehen von Zwölf-Ton-Feldern. So entstanden ab 1981 ("Insel der Freude“) die ersten eigenständigen Kompositionen.
     Die davor entstandenen Stücke sind für bestimmte Gelegenheiten, ohne weitergehenden Anspruch entstanden oder waren, wie die Stücke für die eigene Rock-Band, nur eine Sammlung von Ideen, die dann gemeinsam be- und ausgearbeitet wurden. Doch schon ab 1983 wurde mir deutlich, wie inspirierend es ist, für bestimmte Gelegenheiten, Veranstaltungen, Feiern und Feste zu schreiben. Ich erlebte immer deutlicher, daß die Arbeit für sich am Schreibtisch nur Studienarbeit, nur Übung sein kann, daß aber die eigentlich weiterführenden Ideen nur durch einen "Auftrag" – er kann selbst oder von anderen erteilt sein – und die Beschäftigung mit ganz konkreten Notwendigkeiten entstehen können. So entstanden im weiteren, neben wenigen Studien, nur noch Werke, die einen solchen konkreten Bezug haben und eigentlich für jede entsprechende Gelegenheit neu- oder umgeschrieben werden müßten. Sogar einige begonnene oder geplante Stücke, von denen ich mir viel versprach, landeten in der Schublade und wurden nie beendet.
     Ausnahmen sind nur "Trio" (1984) und "Verwandlung" (1985), doch liegen auch diesen beiden Werken Aufträge zugrunde: "Trio" entstand durch selbst erteilten Auftrag für die Musiker-Tagung 1985 in Dornach als eine Art Gesellenstück, und "Verwandlung" wurde für das Kammerorchester der Freien Waldorfschule Kassel geschrieben, um von diesem Orchester in Kassel, Dornach und Polen aufgeführt zu werden. Diese beiden Werke bilden den Höhepunkt und in gewisser Hinsicht auch den Abschluß meiner kompositorischen Arbeit. Die improvisatorische Arbeit trat in den Vordergrund, und nur noch da, wo Kompositionen notwendig waren, für Unterricht und Schulleben und für den Kultus der Christengemeinschaft, entstanden welche, die wiederum einen anderen Charakter annahmen. Sie wurden gewissermaßen freier und immer stärker auf die konkrete Aufgabe hin gestaltet, was ich durchaus als Gewinn und nicht als Verlust erlebe.
     Durch das Kennenlernen der Kultur-Epochen-Skalen (H. Ruland) wurde seit 1983 eine andere grundlegende Änderung der kompositorischen Arbeit angeregt: die Verwendung eben dieser Skalen in halbtönig angenäherter Form, aber auch in Rein-Intonation. Durch diesen Ansatz wurde meine Fixierung auf die Atonalität aufgebrochen, und es entstand gerade durch den unterschiedlichen Stimmungsgehalt dieser Skalen die Möglichkeit, den konkreten Notwendigkeiten und Bedürfnissen in der Gestaltung näher zu kommen. Darauf soll unten noch näher eingegangen werden.


 
hoch   Improvisation, Kultur-Epochen-Skalen und Neue Instrumente

In der Eurythmie, der Rock-Band, aber auch im Orchester-Spiel waren mir schon in jungen Jahren besonders die gemeinschaftliche Arbeit und das soziale Miteinander, das Unmittelbar-aufeinander-angewiesen-Sein wesentlich gewesen. Dieses soziale Element fehlte mir an der Musik-Hochschule sehr; hier herrschte Konkurrenzdenken und teilweise auch Desinteresse am Suchen der Anderen. Auf den Tagungen für Neue Musik und Neue Instrumente, die ich ab 1981 besuchte, fand ich dagegen ein intensives gemeinsames Suchen und Fragen, regen Austausch und gegenseitiges Wahrnehmen und ein gemeinsames Üben in der phänomenologischen Betrachtung und in der Improvisation. Zudem erlebte ich die Kompositionen Anderer, neuentwickelte Instrumente, z.T. in hoch interessanten Anfangsstadien, und lernte die Skalen der Kultur-Epochen und die Schule der Stimmenthüllung kennen. Auch wenn ich manches sehr merkwürdig fand, erlebte ich doch sofort, daß ich durch diese Arbeit nach und nach zu Antworten auf meine brennenden Fragen kommen könnte, mit denen ich mich an der Hochschule, aber auch in Dornach nicht zuhause fühlen konnte.
     Die Improvisation, wie sie von Pär Ahlbom entwickelt wurde, geht von der Schule der Stimmenthüllung aus und versucht, in der lauschenden Tonbildung und in der räumlichen Bewegung den Gesang, die musikalischen Elemente und den Klang der Instrumente zu verlebendigen und zu befreien. Grundlage sind Übungen in der Tonbildung und im sozialen Miteinander, die gleichzeitig eine Schule des Hörens sind. Diese "Griffe" sind jedoch nicht nur Übungen, sondern ermöglichen unmittelbar ein künstlerisches Gestalten, welches aber nicht von einem Komponisten ausgeht, sondern aus der Gemeinsamkeit entsteht. Rhythmische, melodische, harmonische und Bewegungs-Übungen greifen und schulen Fähigkeiten, die durch die Fixierung auf die feste Notenschrift verlorengegangen sind. Jeder Mensch kann sich darin als Musiker erleben und wieder lernen, daß es nicht in erster Linie um den Musikgenuß, sondern um das Wirksam-Werden des Musikalischen geht. Die "Griffe" bieten zudem die Möglichkeit, die Skalen der Kultur-Epochen und die neuen Instrumente lebendig zu ergreifen.
     Die Bedeutsamkeit der Kultur-Epochen-Skalen stellt Heiner Ruland in seinem Buch "Ein Weg zur Erweiterung des Tonerlebens" ausführlich dar, auch arbeitet er seit langem mit ihnen in der Musik-Therapie. Doch wird in vielen Werken dieses Jahrhunderts und auch in der Rock-Musik deutlich, daß sie auch künstlerisch ergriffen werden wollen. Dieser künstlerische Ansatz wurde von Andreas Delor angeregt und mit ihm gemeinsam im Ensemble für Neue Musik und Neue Instrumente weiterentwickelt. Auch hier zeigt sich ein Schulungsweg, der allerdings von dem der Improvisation nicht zu trennen ist. An ihm arbeiten Andreas Delor und ich jeweils eigenständig, doch mit regelmäßigem Austausch weiter.
     Die Anregungen zur Entwickelung neuer Instrumente gingen neben vielen anderen von Pär Ahlbom, Jürgen Schriefer, Norbert Visser und Manfred Bleffert, aber auch schon früher von der Zusammenarbeit von Franz Thomastik und Rudolf Steiner aus. Grundlage sind im Wesentlichen die folgenden Aspekte:

    der Entwickelungsstillstand der klassischen Instrumente und das Erleben, daß eine substanzielle Verlebendigung des Instrumentalklanges notwendig ist,

    das Aufgreifen von elementaren und geräuschhaften Klängen in der elektronischen Musik und die daraus entstehende Frage, wie Instrumente beschaffen sein müssen, die ohne Elektronik in diesen Bereich greifen,

    die Frage nach Instrumenten, die die elementare Kraft der Rock-Musik ohne Elektronik und betäubende Lautstärke entwickeln können,

    die Frage nach elementaren Instrumenten, die für die Klangbewegung und Klangführung der Improvisation geeignet sind,

    die Frage nach dem Wesen der Materialien, der Organe und der plastischen Form in ihrer Bedeutung für den Klang,

    die Frage nach Instrumenten, die den Stimmungen der Kultur-Epochen-Skalen entsprechen und

    die Idee des Kreises der zwölf Ur-Instrumente.

Diese Gesichtspunkte durchdringen sich gegenseitig, führen aber doch zu unterscheidbaren Instrumenten-Typen von unterschiedlicher Kompliziertheit und Verwendbarkeit. Dazu unten mehr.


 
hoch Sozialhygiene, Pädagogik und Therapie, Kurse, Tagungen und Konzerte, Festgestaltungen, Musik zum Kultus und Arbeit an der Beziehung von Musik zu anderen Künsten

Schon bei den ersten improvisatorischen Gestaltungen, die ich auf den Tagungen für Neue Musik und Neue Instrumente erlebte, und bei den ersten Werkstattkonzerten mit dem Ensemble wurde deutlich, daß Improvisation, Neue Instrumente und Kultur-Epochen-Skalen ihrem Wesen nach nicht in die herkömmlichen Konzertformen hineingehören. Ein Auf- und Vorführen im üblichen Sinne war nicht möglich, da einerseits im Publikum stets das Bedürfnis entstand, einbezogen zu werden, mitzuspielen, und andererseits deutlich wurde, daß alle drei Bereiche für sich und zusammen beim Spielen kultischen Charakter annehmen. Dies liegt im Wesen und Ursprung dieser Impulse begründet und kann nicht einfach übergangen werden.
Aus diesem Erleben entwickelten sich Konzert-Formen, in denen nach einer Einführung mit dem Publikum gearbeitet wurde, um schließlich das Vorbereitete mit dem gemeinsam Erübten zu einer Gestaltung zusammenzufügen, die dann im zweiten Teil des Abends unter Beteiligung des Publikums gespielt wurde. Die musikalischen Gestaltungen selbst konnten dann von allen als Feiern erlebt werden. Die Schilderungen aus dem Publikum und auch die Betrachtung des eigenen Erlebens während des Übens und dann bei der Gestaltung machten dann deutlich, das jeder "Griff", jede Skala und jedes Instrument nicht nur einen eigenen Charakter, sondern auch seine ganz spezifische Wirkung hat.
     Daraus ergaben sich wiederum unmittelbar Gesichtspunkte und Ansätze für eine konsequente Schulung und Ausbildung im Ensemble selbst, in Kursen und auf Tagungen, für sozialhygienische Kurse in Therapeutika, für therapeutische Arbeit in einzelnen Fällen und schließlich auch für die Pädagogik und den Lehrplan der Waldorfschule. In all diesen Bereichen konnte ich nach und nach Erfahrungen sammeln. Ausgangspunkt war dabei jeweils das künstlerische Empfinden und die Kenntnis der musikalischen Elemente, zu der die Betrachtung und Beobachtung der jeweiligen Wirkung korrigierend hinzu trat. Diese praktische Erfahrung gab wesentliche und weiterführende Anregungen für die rein künstlerische Arbeit und Forschung, so daß eine äußerst günstige Wechselwirkung entstand, die kurz gefaßt wie folgt beschrieben werden kann: Das Musikalische selbst gibt die Gesichtspunkte und Mittel für Schulung, Pädagogik, Sozialhygiene und Therapie, und diese befruchten die künstlerische Arbeit und regen neue Entwickelungen an.
     Eine ähnliche Wechselwirkung zeigte sich im Musizieren für den Kultus der Christengemeinschaft, wobei sich die Fragestellung noch vertiefte, substanzieller wurde: Wie können z.B. die einzelnen Schritte der Menschenweihehandlung nicht nur musikalisch mit vollzogen, sondern mit getragen und unterstützt werden; kann die Musik den Menschen helfen, tiefer in das kultische Geschehen einzutreten, kann vielleicht durch Musik die elementarische Welt stärker interessiert und beteiligt werden usw.?
     Diese Fragen vertieften durchaus das geistige Erleben der Musik und regten improvisatorische Feier- und Festgestaltungen an, die die kompositorischen Versuche in dieser Richtung (s.o.) fortführen konnten. So entstand nach und nach das Ideal kultischer Feiern, die, andere Künste mit einbeziehend, aus der Kunst heraus, ja unmittelbar als künstlerische Gestaltung sich bilden. Im Rahmen der Christengemeinschaft und anfänglich auch in der Anthroposophischen Gesellschaft und der Waldorfschule konnten Versuche in dieser Richtung unternommen werden, die einerseits sehr ermutigend sind, andererseits aber zeigen, daß das Zusammenbringen der verschiedenen Künste und Künstler noch sehr viel Schulung und gemeinsames Forschen braucht.
     Deutlich wird auch in diesen Bereichen, daß die eigentlich künstlerische Arbeit, in welchem Zusammenhang auch immer, nur möglich ist, wenn Fragen, Bedürfnisse bzw. Aufträge vorliegen. So wurde es zuletzt erstaunlicher Weise möglich, auch wieder Konzerte zu spielen, nämlich dann, wenn Fragen an einem Ort vorhanden sind oder Anregung für das musikalische Leben, z.B. an einer Schule, in einer Gemeinde gesucht werden.


 
hoch   Ensemble und „Resonanz“

In vielen Gesprächen, die sich „unter uns jungen Leuten“ auf Tagungen in Dornach, Wangen usw. und bei vielen anderen Gelegenheiten ergaben, besonders aber in den Gesprächen mit Andreas Delor traten grundlegende Fragen in den Vordergrund, die mit zunehmender Vertiefung Initiative forderten:


Wie kann eine Zusammenschau der musikalischen Erscheinungen, nicht nur unseres Jahrhunderts, sondern der gesamten Musikentwickelung gewonnen und für die musikalische Praxis fruchtbar gemacht werden?

Wie kann eine Überschau über die anthroposophischen Musik-Impulse gewonnen werden? Wie können die Vertreter dieser Impulse miteinander ins Gespräch kommen? Wie kann sich aus dieser Überschau eine neue, fundierte Ausbildung gestalten?

Wie können diese Fragen und Impulse für die anthroposophische Bewegung fruchtbar werden und in ihr ein reiches Leben entfalten?

Wie kann in der musikalischen Praxis den Zeitnotwendigkeiten entsprochen und vor allem auch die Jugend mit ihren tieferen Bedürfnissen erreicht werden?

Wie kann – und dies war die Grundfrage – die Qualität und Intensität erreicht werden, die der Arbeit in der Sektion der Hochschule für Geisteswissenschaft am Goetheanum gemäß ist?

Für diese Fragen erlebten wir nur bei wenigen Menschen der älteren Generation Verständnis und Unterstützung. Wir empfanden, daß wir es wohl, trotz mangelnder Fähigkeiten, selbst machen müßten, wenn etwas geschehen sollte, auch wenn sich auf allen Seiten Widerstände zeigten, von älteren Menschen, aber auch von denen, die meinten, man müsse erst im Kleinen arbeiten und wirklich etwas können.
     Auf der 3. Tagung für Neue Musik und Neue Instrumente – diese Tagungen waren von Andreas Delor ins Leben gerufen – bildete sich ein Initiativ-Kreis, der zunächst nur die weiteren Tagungen vorbereiten wollte, aber immer intensiver an diesen Fragen arbeitete. Es wurde dann zunächst versucht, die Tagungen im Sinne dieser Fragen zu gestalten, was durchaus ihrem Entstehungsimpuls entsprach. Doch zeigte sich bald, daß viele, die einen neuen Impuls vertraten, trotz besonderer Einladungen, nicht kamen, daß also viele Menschen, die wir erreichen wollten, nicht erreicht wurden. Auch zeigte sich, daß für Forschung, künstlerische Arbeit und Ausbildung jährliche Treffen nicht ausreichten.
     So entstand, neben vielen sehr unterschiedlich arbeitenden Gruppen, zunächst das Ensemble für Neue Musik und Neue Instrumente, welches sich der improvisatorischen Erarbeitung der Kultur-Epochen-Skalen widmete. Schnell zeigte sich, daß hier an künstlerische Arbeit ohne grundlegendes Üben in den verschiedensten Bereichen nicht zu denken ist. So wurde das Ensemble zunächst Ausbildungsstätte und bot gleichzeitig die Möglichkeit, aus dem Üben heraus, künstlerische Gestaltungen zu entwickeln. Die Ausbildung bezog Improvisation, Skalenarbeit, Instrumenten-Bau, Phänomenologie, Komposition, Musikgeschichte und zunehmend auch weiterführende Forschung ein. Doch war gerade für die Forschung viel zu wenig Zeit, und es fehlte auch der unmittelbare Austausch mit anderen. Dies gab uns, Andreas Delor, Gotthard Killian, Bernd Schult und mir, den Anstoß, die anthroposophische Musikzeitschrift „Resonanz“ zu gründen, als Forum für die Forschung und für den Austausch zwischen den verschiedenen Arbeitsansätzen, aber auch zwischen Hörern und Musikern.
Doch auch hier zeigten sich wieder die alten Probleme: Wenige halfen uns viel, und viele interessierten sich wenig. Dadurch mußten wir unsere Arbeit nach vier Jahren wieder einstellen. In der Ensemble-Arbeit entstanden vor allem wirtschaftliche und Zeitprobleme, die schließlich dazu führten, daß vor allem die tragenden Mitglieder sich ganz auf ihre regionale Arbeit konzentrieren mußten.
     Hier bleibt also abzuwarten, wann es möglich ist, weiter an diesen Fragen zu arbeiten. Trotzdem sind die Erfahrungen im Ensemble und der Resonanz-Arbeit sehr fruchtbar, denn gerade durch die gegenseitige Korrektur entstand viel Neues, und es entwickelten sich erst die Ansätze für eine methodische Forschung. Auf die Inhalte und Ergebnisse der Forschung wird in anderen Kapiteln eingegangen.


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